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Wie digitale Ökosysteme die Vermögensverwaltung verändern

Aktualisiert: 2. Dez. 2018

Daniel Fasnacht, Neue Zürcher Zeitung (NZZ), 13.09.2018

Um international konkurrenzfähig zu bleiben, müssen sich die Schweizer Vermögensverwalter öffnen und Innovationen in Ökosystemen anstreben. Die Zeit drängt!


Ein geschäftsorientiertes Ökosystem hat zum Ziel, mittels Partnerschaften verschiedene Kompetenzen und Branchen zu verbinden. So wird durch Disintermediation eine Effizienzsteigerung erzielt oder durch Innovationen verteilt auf einzelne Teilnehmer ein Mehrwert für Kunden erwirtschaftet. Denn nur wenn der Innovationsprozess über Organisationsgrenzen hinweg in Gang bleibt, können Ideen schnell umgesetzt werden.

Bleibt allerdings ein wichtiger Teilnehmer aus, verliert das System als Ganzes an Wert. Genau das geschieht gerade mit dem Krypto-Valley in Zug: Schweizer Banken lehnen es ab, eine Bankbeziehung mit einem Krypto-Currency-Anbieter einzugehen. Ein Eco-System zeichnet sich auch dadurch aus, dass es sich anpasst und agil bleibt; es reguliert sich selber und kompensiert fehlerhafte oder notwendige Beziehungen anderweitig – in diesem Fall mit Krypto-Banken in Liechtenstein.


Skalieren über andere Sektoren

E-Commerce, Social Media und Internetfirmen geniessen noch nicht das Vertrauen, das Privatbanken über Jahrzehnte aufgebaut haben. Allerdings konnten sie innert kurzer Zeit viele Nutzer auf ihre digitalen Plattformen locken und verstehen es, vorwiegend Millennials mit digitalen Innovationen immer länger auf ihren Plattformen zu beschäftigen. Dabei erweitern sie stets ihre Angebotspalette und drängen in Geschäftsbereiche traditioneller Vermögensverwalter ein.

Alibaba, der grösste E-Commerce-Anbieter aus China, hat ein Ökosystem aufgebaut, das in beinahe alle Bereiche des täglichen Lebens reicht. Durch die vielen Kunden (550 Millionen alleine in China) entstehen viele Daten, die das Kaufverhalten, aber auch Kundenwünsche und Kundenbedürfnisse offenlegen. Aktivitäten in sozialen Netzwerken, Chats, Suchmaschinen, Reisen und Satellitendaten werden ebenso ausgewertet wie Gesundheits- und Finanzdaten.

In der Vermögensverwaltung sind Informationen über Kunden und deren Verhalten äusserst wertvoll für eine ganzheitliche Finanzberatung, aber auch für die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen. Was bis anhin mittels persönlicher Kontakte oder Transaktionen mit der Depotbank zusammengetragen und in Kundenprofilen abgelegt wurde, kann künftig automatisch gesammelt werden. Wenn ein Vermögensverwalter mit seiner digitalen Plattform Teil eines sektorübergreifenden Ökosystems ist, kann auch er Daten nutzen, zu denen er sonst nie Zugang hätte.


Daten schützen oder nutzen?

Auf Daten basierende digitale Geschäftsmodelle werden die traditionelle Vermögensverwaltung zunehmend verändern. Während in China die Verknüpfung von diversen Datenquellen und die permanente Auswertung von Kundendaten weit vorangeschritten sind, prüfen derzeit Amazon und Facebook Kooperationen mit Banken.

Das Modell ist einfach: Plattformanbieter liefern die Daten, Fintech-Unternehmen haben die technische Kompetenz, diese zu analysieren, und Vermögensverwalter können mit ihrem Finanzwissen darauf basierend künftige Wünsche und Bedürfnisse vorwegnehmen und individualisierte Kundenerlebnisse möglich machen.

Obwohl zwei Drittel der Schweizer Finanzdienstleister mit einem Fintech-Unternehmen zusammenarbeiten, ist hierzulande von einer automatischen Sammlung und einer maschinellen Auswertung von strukturierten und unstrukturierten Daten noch zu wenig zu sehen. Vor allem unabhängige Vermögensverwalter stehen meist alleine da und haben es verpasst, in ein Ökosystem einzutreten und in der neuen Umgebung Wert für die eigene Organisation und ihre Kunden zu generieren.

Ein Grund ist, dass sich Europa und die Schweiz im Speziellen auf Regularien und Datenschutz versteift haben. Die Spitzenposition in der Vermögensverwaltung ist hierzulande nur zu halten, wenn Daten strategisch genutzt werden. Denn ein effektives System muss über riesige Datensätze verfügen, da diese für das Training von Algorithmen durch maschinelles Lernen unabdingbar sind. Die gezielte Förderung von künstlicher Intelligenz als Schlüsseltechnologie der Zukunft ist deshalb sinnvoll.

Die Reaktionen von China bezüglich des Algorithmus Alpha Go, der 2016 überraschend den professionellen Go-Spieler Lee Sedol im 2000 Jahre alten chinesischen Brettspiel besiegt hat, ist gleichzusetzen mit den Reaktionen der amerikanischen Regierung nach den ersten Erfolgen der Sowjetunion in der Raumfahrt. Der «Sputnik-Schock» initiierte die amerikanische Aufholjagd, die 1969 mit der Mondlandung erfolgreich die Vorherrschaft im All sicherte.

Entsprechend ist das Ziel der chinesischen Regierung, bis 2030 führend im Bereich der künstlichen Intelligenz zu werden. Gefördert werden beinahe alle technologischen Entwicklungen wie Robotics, Ausbildung, autonomes Fahren, Virtual Reality oder 3-D-Druck, wo China nach den USA führend ist. Im Bereich Fintech tätigt China bereits heute rund 30% mehr Wagniskapital-Investitionen als die USA und sechs Mal so viel wie Grossbritannien.


Nicht länger zuwarten

Es ist unbestritten, dass die Vermögen in China zulasten Nordamerikas, Deutschlands, Grossbritanniens, Frankreichs und der Schweiz stark wachsen werden. In einer vernetzten und digitalen Welt ist es deshalb entscheidend, Kundendaten effizient zu sammeln, maschinell auszuwerten und mittels künstlicher Intelligenz Mehrwert zu generieren. Wer diesen Prozess mithilfe der richtigen Partner abbildet, wird die Vermögen in den neuen Wachstumsregionen verwalten und junge digital-affine Kunden mit innovativen Lösungen begeistern.

Wissenschaft, Regierung und Branchenverbände müssen Erkenntnisse aus anderen Sektoren und Regionen integrieren, um die Risiken im Datenschutz rasch und sorgfältig abzuschätzen und wettbewerbsfördernde Rahmenbedingungen für digitale Innovationen auszugestalten. Traditionelle Vermögensverwalter und Fintech-Unternehmen müssen ihre Kooperationsbereitschaft steigern und die Chancen sektorübergreifender Ökosysteme nutzen. Die Aufholjagd muss jetzt beginnen!

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